Die Bundestagsabgeordnete Michaela Noll hat aufgrund der heftigen Kritik an ihrer Position zum Thema auf ihrer Homepage dazu Stellung genommen: http://www.michaela-noll.de/reden/stellungnahme.htm (Anmerkung: die Stellungnahme wurde überarbeitet und liegt nun in einer 2. Fassung vor, die hier im Beitrag verwendeten Zitate stammen aus der ursprünglichen Version. Auf die neue Version wird weiter hinten in diesem Thread reagiert, so wie es der Chronologie entspricht)
Bis auf den letzten Satz stimme ich Frau Noll voll und ganz zu. Doch wer beobachtet wo diesen Anstieg ? Diese Argumentation beruht auf Schätzungen, Spekulationen und teilweise falschen Statistiken bzw. deren falscher Interpretation. Unabhängig davon begrüßen die Petitionsunterzeichner dennoch ein sinnvolles Vorgehen gegen Kinderpornographie...Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass diese Gesetzesinitiative der Regierung auf dem dringenden Handlungsbedarf beruht, der sich jedem, der sich mit der Problematik Kinderpornographie befasst, in fast unerträglichem Maße offenbart. Wir beobachten einen stetigen Anstieg beim Besitz, der Beschaffung und Verbreitung von Kinderpornographie.
Ich denke, abgesehen von Pädokriminellen, ist jeder vernunftorientierte Bürger gegen Kinderpornographie. Derartige Inhalte sind jedoch gar nicht so ohne weiteres zugänglich und von erfolgreichen Sperrmaßnahmen in anderen Ländern kann nicht die Rede sein. Es gibt sogar völlig gegenteilige Aussagen von den zuständigen Ermittlungsbehörden dieser Länder.Daher ist es für mich nicht hinnehmbar, dass in Deutschland kinderpornographische Inhalte im Internet ohne weiteres zugänglich sind, während sie in vielen anderen Ländern bereits erfolgreich gesperrt werden.
Immer wieder wird auf Schätzungen verwiesen. Aufgrund von Schätzungen sollte allerdings nicht ein unausgegorenes Gesetz verabschiedet werden, zumal die Effektivität schon längst unterlaufen wurde. Und wie bitte definiert sich ein pädophiler Gelegenheits- oder Zufallstäter ?Gerne erläutere ich an dieser Stelle noch einmal, dass sich niemand der Illusion hingibt, mit Hilfe der Zugangssperren könne Kinderpornographie vollständig verhindert werden. Wie immer wieder betont wird, ist dies auch nicht Sinn und Zweck des Gesetzes. Im Focus des Gesetzes stehen die Gelegenheits-, die Zufallstäter. Nach Schätzungen können wir mit den Sperren 80 Prozent dieser Zufallstäter erreichen.
Das wurde sehr eindrucksvoll von Aktivisten widerlegt, indem äußerst unbürokratisch und zeitnah die Abschaltung entsprechender Server realisiert werden konnte.Wird im Rahmen der Überprüfung der kinderpornographischen Webseite festgestellt, dass diese auf einem im Ausland befindlichen Server gehostet ist, informiert das Bundeskriminalamt auf dem Interpol-Weg die zuständige Strafverfolgungsbehörde in dem jeweiligen ausländischen Staat. Rückmeldungen über Ergebnisse der dort veranlassten Maßnahmen liegen im Ermessen der ausländischen Staaten und gehen im Bundeskriminalamt selten ein. Aufgrund der uns vorliegenden Erkenntnisse wird der Großteil der Kinderpornographie im Bereich des World Wide Web mittlerweile über (kommerzielle) Webseiten verbreitet, die im Ausland zum Abruf bereitgehalten werden. Trotz aller nationalen und internationalen Anstrengungen sind viele kinderpornographische Schriften im großen Umfang im Netz verfügbar. Es gelingt in vielen Staaten nicht, Betreiber kinderpornographischer Angebote ausreichend zeitnah zur Löschung zu veranlassen oder ihnen die Plattform (Host Provider) zu entziehen.
Einmal mehr wird deutlich, dass Frau Noll vom Internet und der damit verbundenen Technik keine Ahnung hat und sich auf Aussagen von Lobbyisten verläßt, die die Faktenlage bewußt ignorieren. Irrsinnigerweise beinhalten die "Tausende" auch die Bots von Google & Co., die systematisch das Netz durchforsten. Einen Aspekt, der bislang in dieser Diskussion noch nicht behandelt wurde (habe ich jedenfalls nicht feststellen können), ist der Umstand, dass eine Suchmaschine letztlich auch die Stoppschild- Seiten indiziert und als Suchkriterium anbieten könnte. Es bestünde theoretisch sogar die Möglichkeit, dass dadurch Pädokriminelle per Google auf die Suche nach Stopp- Schild Seiten gehen, um anschließend mit den bekannten Umgehungsmethoden unbemerkt zu den Inhalten zu gelangen - das nur mal so am Rande...Die Erfahrungen zeigen, dass das Stoppschildverfahren Tausende davon abhält, sich durch den Konsum kinderpornographischer Inhalte indirekt an der Schändung der Kinder zu beteiligen. Viele User umgehen die Sperren gerade nicht, sondern beenden ihre Suche nach bestimmten Seiten an den Stopp-Schildern. Und in keinem der antwortenden Länder werden andere Inhalte als Kinderpornographie gesperrt.
Dass nur Seiten mit kinderpornographischen Inhalten gesperrt würden, widerlegt die jüngst veröffentlichte dänische Sperrliste. Die meisten Inhalte sind zwar pornographischer Natur, jedoch nicht kinderpornographisch und viele Domains existieren nicht mehr oder haben inzwischen völlig andere Inhalte. Z.B. befindet sich auch diese Domain auf der dänischen Sperrliste (http://loguestbook.de) *, wobei ich hier keinerlei kinderpornographische Inhalte ausmachen kann (?)
* Sollte dies gegen geltendes Recht verstoßen, werde ich den Link natürlich umgehend wieder entfernen. Dieses Forum ist in Österreich gehostet, zur Information!
Offensichtlich hat man es bei der Aktualisierung der dänischen Sperrliste nicht so genau genommen. Eine Aktualisierung schließt die Bearbeitung der existierenden Einträge nicht aus und darf sich nicht allein auf neue Adressen beschränken. Dass Kinderpornographie nicht von großem wirtschaftlichen Interesse ist, haben Experten inzwischen aufgezeigt und der eigentliche Markt ist die Pornographie generell, die nicht grundsätzlich kriminalisiert werden kann. Die Zugangssperren sind sinnloser Teil einer Gesamtstrategie...Die Sperrlisten werden ständig aktualisiert, um einem Ausweichen der Anbieter auf neue Adressen entgegenzuwirken. Die Urheber des verbotenen Materials, die häufig im Ausland sitzen und nur schwer verfolgt werden können, werden durch Zugangssperren vor allem wirtschaftlich getroffen. Dies ist der zweite wesentliche Zweck, der hinter den Zugangssperren steht. Die Zugangssperren sind Teil einer Gesamtstrategie gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet.
Bunte Bildchen und Statistiken sind nicht wirklich aussagekräftig. Ich gebe gerne zu, dass in vielen Ländern kein ausreichender Schutz von Kindern praktiziert wird. Um dies deutlich zu machen, ziehe ich dennoch das Beispiel von Frau Noll heran: http://michaela-noll.de/download/vertra ... e-lage.pdf...In diesen Fällen reichen die polizeilichen Mittel nicht aus. Der Kampf gegen Kinderpornographie muss aber auf sämtlichen Ebenen und vor allem auch international geführt werden. Gerade bei diesem Thema ist eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit unerlässlich.
Ich greife nun ein Land, welches "grau" gekennzeichnet ist, heraus und welches demnach keinerlei Kinderschutzgesetze verfolgt: Sudan
Wie lautet die Top- Level Domain des Sudan, Frau Noll ? Richtig sd
Nun sollte man anhand der Sperrlisten mal vergleichen, wieviele kinderpornographische Seiten mit der Top-Level Domain des Sudan übereinstimmen. Ohne das Ergebnis zu kennen, behaupte ich mal, dass sd dort quasi gar nicht auftaucht. Das bedeutet jetzt nicht, dass es dort keinen Kindesmissbrauch geben würde, aber eine DNS- Sperre für Kinderpornographie bezweckt in diesem Fall soviel wie das Abfüllen von Alpenluft in Dosen. Die Zuteilung und Verwaltung von Domains unterliegt bestimmten Organisationen (IANA, ICANN) und genau dort sollte man ansetzen, wenn man verhindern möchte, dass Kinderpornographie im Netz verfügbar wird. Diese Institutionen unterliegen (soweit mir bekannt) dem Einfluss von Staaten, die wiederum ausreichend Gesetze gegen Kinderpornographie etabliert haben. Mit Abstand besitzen die meisten gesperrten Seiten auf der dänischen Sperrliste die Top- Level Domain com. Betreiber dieser Top- Level Domain ist das amerikanische Unternehmen VeriSign, also ein Unternehmen, dass den US- Gesetzen unterliegt, wo auch Kinderpornographie berücksichtigt ist. Wenn also ein amerikanisches Unternehmen ungeprüft Domains verteilt und Kinderpornographie dadurch erst ermöglicht, weil der eigene Profit wichtiger erscheint, so erkenne ich hierin den Ursprung des Übels. Es wäre doch einfach, (und sicherlich einfacher als die geplanten Sperrmaßnahmen) die Unternehmen, die Domains verteilen und verwalten zu kontaktieren und mit Nachdruck auf die Entfernung von Kinderpornographie zu drängen ? Jedoch will man nicht direkt dort den Hebel ansetzen, sondern völlig absurde Sperrmaßnahmen durchführen. Wenn das nicht Lobbyismus in Vollendung ist...
Ich glaube Ihnen sogar, dass nichts anderes beabsichtigt ist, als die Sperrung von kinderpornographischen Inhalten. Diese Absicht legt die Regierung in die Hände einer einzigen Behörde und in vollem Vertrauen auf deren fehlerloses Arbeiten. Grundsätzlich bin ich auch überzeugt davon, dass die Mitarbeiter des BKA auch ihre Aufgabe gewissenvoll ausführen würden, doch Fehler und Pannen sind eben auch menschlich. Die jüngsten Datenpannen bei TELEKOM und Bahn zeigen überdeutlich, dass immer Potential für Fehler und/oder Missbrauch vorhanden ist. Die Gewaltenteilung in dieser Sache aufzugeben, halte ich für fahrlässig. Dass schon andere Lobbyisten Interesse an der Ausweitung der Sperrpläne zeigen, macht deutlich, dass meine Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind.Eine der häufigsten Befürchtungen, die mit dem Kinderpornographie-Bekämpfungs-Gesetz verbunden ist, ist die der Sperrung weiterer (krimineller) Inhalte im Netz wie Gewaltverherrlichung oder politischer Extremismus. Ich kann nur immer wieder betonen, dass eine Ausweitung der Zwecke nicht beabsichtigt ist. Keinesfalls, und hier gebe ich jedem Recht, den diese Bedenken plagen, darf eine Zugangssperre zur Hintertür für eine Zensur des Internets werden. Weil Informations- und Kommunikationsfreiheit zu schützende Grundrechte sind, hat sich das Kabinett ausdrücklich darauf verständigt, die Zugangssperren auf kinderpornographische Inhalte zu beschränken - dies gilt selbstverständlich unabhängig von der gebotenen Verfolgung anderer Straftaten.
Ich kann nur hoffen, dass die Abgeordneten im Bundestag bei der Gestaltung dieses Gesetzes rechtzeitig zur Besinnung kommen und auch wenigstens so ehrlich sind, ihre voreiligen Bemühungen, die sicherlich gut gemeint waren, aber eben schlecht recherchiert und unzureichend durchdacht waren, als falsch zuzugeben. Wahre Größe besteht auch darin, menschliche Schwächen zuzugeben...
Gruß,
thbrueck